Früher richteten wir uns nach den Ausstrahlungsterminen der Radiosendungen. Heute hören wir diese dann, wenn wir möchten. Dank Podcasts. Über die Vorteile, die Geschichte des Radios und warum ich heute vor allem Podcasts höre.
Radiohören war für mich schon früh in meinem Leben eine wichtige Konstante. Die Hitparade mit Christoph Schwegler, Georges Pilloud, Paul Burkhalter, Roger Thiriet u.a. auf dem damaligen DRS 1, die Oldies («Pop Shop») mit Frank Laufenberg auf SWF 3: Das Radio öffnete mir die weite Welt. Hauptsächlich die Musikwelt und – dank meinem Vater – nebenbei noch das «Echo der Zeit» mit der unvergesslichen Stimme von Casper Selg.
Radiohören hat mir auch soziale Werte vermittelt, an denen ich mich orientieren konnte. Es ist wie Lesen, aber ergänzt mit Emotionen. Thema und Stimme laden mich und dich ein, dabei zu sein.

Dank Radio dabei sein
Das Wunschkonzert auf DRS 1, jeweils am Montagabend: Vielleicht kenne ich jemanden, vielleicht werde ich ja selbst von jemandem aus meinem Sozialen Umfeld gegrüsst. Vielleicht wird meine damalige Lieblingsgruppe Showaddywaddy gespielt. Wurde meine Musik gespielt, freute ich mich riesig.
Radio begleitete mich durch den Tag, half mir am Feierabend, meinen Schul- und später Berufsstress hinter mir zu lassen und abends, wenn ich gemütlich im Bett lag, berieselte es mich so angenehm mit Musik.
Spät abends heimlich und leise
Radiohören war mir also überaus wichtig! Um 22 Uhr hätte ich jeweils das Licht löschen und schlafen sollen. Doch oft erwischte mich mein Vater dabei, dass ich heimlich und leise doch noch Musik hörte. Bis ich herausfand, dass es das Geräusch der laufenden Musikkassette war, das mich verriet. Von da an wich ich aufs Radio aus– zu meiner grossen Freude unbemerkt.
Was war das für ein Gefühl, als die ersten Radiogeräte sogenannte Einschlaftasten hatten. 10, 20, 30 Minuten oder auch länger – und dann schaltete sich das Radiogerät selbst aus. Während ich mich dösend aus dem Tag verabschiedete wusste ich bereits: Am Morgen werde ich mit Musik und der fröhlichen Stimme eine:r Moderator:in geweckt.
Radio heute
Viele bekannte Stars wie Tina Turner, Albert Hammond oder John Lennon besuchten als Teenager den Kirchenchor. Ob dieser Aktivität ein religiöses Bedürfnis zu Grunde lag, weiss ich nicht. Tatsache ist, dass zu dieser Zeit vor allem die Kirche Programme zur Freizeitgestaltung anbot und im Grund genommen keine wirkliche Auswahl bestand. Chor und Radio sozusagen.
Die Zeiten haben sich geändert. Heute stehen wir einer enormen Vielfalt an Veranstaltungen und Informationen gegenüber. Neben Radio und TV wurde das Web zu einer weiteren Informationsquelle und daraus – oder in der Folge – entstanden auch Podcasts.
Entwicklung ist gut. Sie gehört zu uns. Eine Gesellschaft darf und soll sich weiterentwickeln. Schon alleine die Technologie-Vielfalt, mit der Radio heute verbreitet wird, ist gewaltig. Entwicklung kann allerdings auch bedeuten, sich von gewissen Dingen zu verabschieden.
UKW-Empfang
UKW ist wie eine Langspielplatte. Man muss es selbst gehört haben. Diese knisternden Geräusche, die das Unvollkommene spiegeln und dich vielleicht dazu einladen, auch unvollkommen zu sein. Digital klingt so perfekt, so clean, … so leblos.
Mit UKW war ich quasi eins. Wenns es während der Sendung knisterte, stand ich auf und schritt mit meinem Radio langsam durchs Zimmer. Die Antenne ganz ausgezogen und wie mit der Wünschelrute in der Hand und nach Wasser suchend.
Ich liebe diese Erinnerungen. Heute muss ich nicht mehr aufstehen, um einen besseren Empfang zu haben. Dank DAB.
Meine ersten Radiogeräte
An mein erstes Radiogerät erinnere ich mich noch ganz genau: ein Sanyo Radio-Recorder, mit dem ich endlich meine Lieblingslieder aufnehmen konnte. Und an die Enttäuschung, wenn die Moderator:innen jeweils über den beginnenden oder ausklingen Song drüberweg moderierten … Dieses Gerät konnte ich mir als Teenie leisten, weil ich während meiner Sommerferien in einer Gärtnerei mitarbeitete.
Dieses Gerät war für mich, weil ich es mir «hart» verdienen musste, extrem wertvoll. Es war eines der Dinge, zu denen ich wirklich Sorge trug.
Später folgte ein Grundig Satellit. Mit UKW, KW und MW. Und so sass ich manchmal stundenlang am Radio und versuchte über KW und MW auch andere Sender zu hören.

Bereit sein, wenn die Lieblingsendungen liefen
Das Radio prägte damals meinen Tagesablauf.
Ich wollte bereit sein, wenn meine Lieblingssendungen liefen. In meiner inneren Agenda waren Hitparade, Wunschkonzert und Pop Shop nicht verschiebbare Termine.
Ich wollte meine Musik aufnehmen und war mit einer leeren Kassette bereit, den Finger auf den Aufnahmetasten, wenn meine Lieblingssänger:innen oder -gruppen ihre neuesten Musikstücke präsentierten.
Gelangen mir gute Aufnahmen, begleitete mich ein erhebendes Gefühl. Geschafft. Jess!
Podcast hören
Und heute? Heute höre ich selten Radio. Halt, stopp! Ich suche mir die Sendungen aus und höre sie dann, wenn ich will.
Podcasts. Anklicken. Hören. Wenn mich der Inhalt nicht anspricht, stoppe ich und suche mir eine andere Sendung.
Podcast hören hat viele Vorteile. Ich kann bedürfnisorientiert suchen und dabei auf ein vielfältiges Angebot zugreifen.

Podcast als Chance und als Gefahr für Radiosender
SRF präsentiert auf seiner Startseite «Podcast Tipps». Das christlich geprägte Unternehmen ERF Medien hat Podcasts («Podcasts hören») ebenfalls auf der Startseite platziert. Bei Radio Zürisee muss ich richtiggehend suchen. Erst mit der Suchfunktion finde ich Podcasts («News»), die aber nicht deutlich als solche deklariert sind. Anders Radio 1 von Radiopionier Roger Schawinski. Dort findet man das Podcastangebot sogar in der Navigation – um nur einige Beispiel zu nennen.
Es ist klar, dass Podcasts auch eine Art Konkurrenz zum bestehenden Radioangebot darstellen. Die Verantwortlichen und Betreiber der Rundfunkanstalten möchten die Hörer:innen lieber auf dem Sender haben. Die Frage stellt sich, wie lange dies noch möglich ist und wie stark das Liveprogramm von Podcasts abgelöst wird. Entscheiden werden die Kund:innen.
Die Entwicklung geht weiter
Mit Podcasts bedürfnisorientiert meine Musik und meine Themen hören – das ist schon stark!
Auf der anderen Seite darf die Wirkung Moderator:innen – auf mich und wohl auch auf andere Hörer:innen – nicht unterschätzt werden.
Es tut gut, wenn jemand am Mikrofon sitzt und «mit dir» den Tag anfängt. Moderator:innen sind nach wie vor eine wichtige Verbindung, eine menschliche Brücke zur grossen weiten Welt.
Radio ist uns näher, als wir denken. Gestern, heute und wohl auch in Zukunft.
© christliche-radiosender.ch, 11.9.2025, Andreas Räber
Autor
Andreas Räber ist Enneagramm-Coach und -Trainer, Online-Marketing-Spezialist und hat 13 Jahre bei einem Medienunternehmen mit eigenem Radiosender gearbeitet: im Verkauf und Marketing, in der Kinderkassen-Produktion, als Projektleiter für Musik-CDs und während sechs Jahren als Moderator einer wöchentlichen Oldies-Sendung.